Projekt BlueMilk: So können Molkereien zur Energiewende beitragen

Wissenschaftler der Technischen Hochschule Ingolstadt (THI) erforschten beim Verbundprojekt BlueMilk gemeinsam mit Experten der Zott SE & Co. KG, der Andechser Molkerei Scheitz GmbH und der AGO GmbH Energie + Anlagen und Lemmermeyer GmbH & Co.KG, wie sich ein flexibler Umgang mit Erneuerbaren Energien positiv auswirken kann. Sie zeigten, dass durch gezielte Anpassungen nicht nur der Ausstoß von Treibhausgasen gesenkt, sondern auch Kosten gespart werden können.

Das Projekt BlueMilk zeigte den Molkereien auf, wie sie mit mehr Flexibilität effizienter werden und dabei Kosten und Emissionen einsparen können. Foto: Albert_Karimov

Wie können Molkereien aktiv die Energiewende mitgestalten und ihre Treibhausgasemissionen senken? Dies untersuchte die Technische Hochschule Ingolstadt (THI) in Zusammenarbeit mit Partnern aus der Milchindustrie im erfolgreich beendeten, und vom Bundeslandwirtschaftsministerium über vier Jahre geförderten, Forschungsprojekt BlueMilk. Die Wissenschaftler der THI arbeiteten dazu mit Experten der Zott SE & Co. KG, der Andechser Molkerei Scheitz GmbH und der AGO GmbH Energie + Anlagen und Lemmermeyer GmbH & Co.KG zusammen. Die Ergebnisse wurden jüngst auf einer digitalen Abschlusskonferenz vorgestellt.

Die Bundesregierung hat sich das Ziel gesetzt bis 2030 einen Anteil von 80 Prozent des Bruttostromverbrauchs aus Erneuerbaren Energien (EE) zu decken, um das übergeordnete Ziel der Netto-Treibhausgasneutralität bis 2045 zu erreichen. Dies setzt einen enormen Ausbau von Photovoltaik- und Windkraftanlagen voraus, was jedoch auch eine volatile Stromerzeugung bedeutet und nach Flexibilität bei Verbrauchern wie steuerbaren Stromerzeugern verlangt. Molkereiunternehmen könnten dem mit flexiblen Energiekonzepten nachkommen. Prof. Dr.-Ing. Uwe Holzhammer machte im Rahmen der Veranstaltung deutlich, wie Flexibilität im Einzelnen und im Zusammenspiel zukünftig nötig ist, um auf bedingt planbare Stromerzeugung aus Wind und Photovoltaik reagieren zu können. „Nur dadurch können die hohen zukünftigen EE-Strommengen kosteneffizient genutzt werden. Flexibilität ist keine Bürde. Sie bietet für Unternehmen die Chance, Energiekosten zu stabilisieren“, so Prof. Holzhammer.

Sauberer Strom ist auch günstiger

Der Ansatz ist, die Schwankungen der Strombörsenpreise zu Gunsten des Unternehmens zu nutzen. Das Forschungsprojekt kam zu dem Ergebnis, dass diese Vorgehensweise gleichzeitig Emissionen spart. Ist der EE-Anteil im öffentlichen Stromnetz hoch, sind folglich auch die Emissionen niedrig. Der saubere Strom ist somit also auch der günstige Strom.

Vor diesem Hintergrund untersuchte Volker Selleneit, wissenschaftlicher Mitarbeiter der THI, unterschiedliche Energieversorgungskonzepte für Molkereien, welche mit Blockheizkraftwerken (BHKW) und dem Ansatz der Sektorenkopplung (aus Strom wird Wärme erzeugt) diese Flexibilität erbringen können. Sowohl die Energieversorgungskosten für Molkereien, als auch die betrieblichen Emissionen sollen so gesenkt werden. Dazu ist es nötig, den Einsatz der Energiewandlungsanlagen intelligent und strategisch mit dem Blick auf 2030 zu planen. In Modellen wurde diese Optimierung unter Berücksichtigung fluktuierender Strombörsenpreise simuliert und mit dem bestehenden Konzept einer Eigenstromversorgung durch ein Blockheizkraftwerk - eine in den vergangenen Jahren übliche Auslegung - verglichen.

Die Ergebnisse für die Jahre 2020 bis 2022 zeigten große Unterschiede. 2020 lagen die Energieversorgungskosten bei flexiblen Konzepten deutlich über dem bisherigen Konzept der BHKW-Eigenstromversorgung. Für 2021 und 2022 dreht sich die Kostensituation jedoch. Daraus schließt Selleneit, dass flexible Konzepte bei relativ günstigen und wenig schwankenden Preisen und starren rechtlichen Rahmenbedingungen wie im Jahr 2020 rein betriebswirtschaftlich in der Regel nicht sinnvoll sind. Bei steigender Volatilität von Preisen unter Berücksichtigung der mittlerweile geltenden, weniger starren, rechtlichen Rahmenbedingungen wie in den Jahren 2021 und 2022, können flexible Konzepte jedoch eine kostenresilientere Alternative darstellen.

Das THI-Wissenschaftlerteam rund um Prof. Holzhammer erwartet in Zukunft eine Entwicklung hin zu relevant mehr Volatilität im Stromangebot und somit im Strompreis. Gleichzeitig können aber mit einer zunehmenden Flexibilisierung der Prozesse - Erzeugung und Nachfrage -, die betriebswirtschaftlichen Risiken in Jahren mit extremen Preisen und Preisschwankungen wie 2022 verringert werden.

Ausstoß von Treibhausgasen kann verringert werden

Besonders positiv stach heraus, dass die Treibhausgas-Emissionen des Betriebes mit den flexiblen Konzepten in jedem Fall gesenkt werden können. In Verbindung mit angepassten Wärmenutzungskonzepten, die Selleneit auch als notwendig ansieht, sind noch weitere Effizienzsteigerungen und Treibhausgas-Minderungen möglich.

Mit der speziellen Flexibilitätsoption Kühlsysteme in Molkereien beschäftigte sich der Martin Stöckl, wissenschaftlicher Mitarbeiter der THI. „Ist der EE-Anteil im öffentlichen Stromnetz hoch, wird die Temperatur im Kühlhaus abgesenkt. Im Gegenzug wird die Kühlleistung reduziert, wenn der EE-Anteil gering ist. Die Produkte selbst speichern die notwendige Kälte und bewegen sich dabei nur in einem vordefinierten Temperaturbereich, um weiter hohe Qualität sicher zu stellen“, beschreibt Martin Stöckl knapp die Idee. Das bedeutet, normalerweise herrschen ca. fünf Grad Celsius im Kühlhaus. Scheint aber tagsüber die Sonne, kann stärker gekühlt werden. Die gespeicherte Kälte in den Produkten kann dann nachts genutzt werden und die Anlage abgeschalten werden.

Großes Sparpotential durch smarte Temperaturkontrolle

Modelluntersuchungen zeigen, dass sich die CO2-Emissionen so reduzieren lassen und auch Kosten gesenkt werden können. Ist es möglich die Temperaturen der Produkte vor dem Transport weiter durch EE-Strom als aktuell üblich zu senken, können Kosten, Ressourcenverbrauch und Emissionen auch zusätzlich in der Logistikkette relevant reduziert werden. Hier sehen die Wissenschaftler großes Potenzial, die CO2-Emissionen zu verringern und gleichzeitig die ökonomische Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu verbessern.

Prof. Holzhammer fasste zusammen, dass Molkereien durch die Flexibilisierung und Effizienzsteigerung zur Emissionssenkung beitragen und so ein aktiver Teil der Energiewende werden können. Durch BlueMilk wurden die Potentiale aufgezeigt und der Branche dargestellt. Im nächsten Schritt geht es um die operative Umsetzung, bei der es noch Hürden zu überwinden gilt. Die Umsetzung sollte aus Sicht von Prof. Holzhammer wissenschaftlich flankiert und begleitet werden, um keine Zeit zu verlieren und die Branchen so schnell wie möglich fit für große Anteile an Erneuerbaren Energien zu machen.

Die Förderung des Forschungsprojekts BlueMilk erfolgte aus Mitteln des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Die Projektträgerschaft erfolgte über die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) im Rahmen des Programmes zur Innovationsförderung.

Der Bereich Energiesystemtechnik am Institut für neue Energie-Systeme (InES) der Technischen Hochschule Ingolstadt beschäftigt sich mit Fragestellungen rund um die Integration der erneuerbaren Energien.