Wissenschaftlicher Beirat von CARISSMA hat getagt

Ein Bericht des Forschungs- und Testzentrums CARISSMA

Gruppe von Personen

Wissenschaftlicher Beirat von CARISSMA mit Kinder-Dummy. Foto: THI

Dummy-Auto prallt in echtes Auto

Fahrversuch mit Aufprall. Quelle: THI

Auto-Dummy in Halle bei Regen und Nebel

Fahrversuch bei Nebel und Regen in der CARISSMA-Halle. Foto: THI

Am 25. Oktober tagte, wie zu Beginn jedes Wintersemesters, der wissenschaftliche Beirat von CARISSMA. Seit nunmehr zehn Jahren begleiten hochrangige Vertreter aus Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehrspolitik die Forschungsprogrammatik von CARISSMA und beraten das Forschungs- und Testzentrum bei strategischen Fragestellungen speziell zu Technologie- und Wissenstransfer. Damit profitiert die Forschung in CARISSMA nachhaltig von einer engen Vernetzung mit dem Ziel der Erhöhung der Sicherheitsstandards im Verkehr sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene. Neben einem Rückblick auf das zurückliegende, von den Beiratsmitgliedern als äußerst erfolgreich empfundene Jahr standen aktuelle Anträge sowie kommende Projekte und langfristige Ziele hinsichtlich weiterer Ausrichtung auf dem Programm.

Nach seiner Begrüßung gab der wissenschaftliche Leiter von CARISSMA Prof. Thomas Brandmeier den bereits im vergangenen Jahr angekündigten Wechsel in der CARISSAM-Leitung bekannt: Prof. Dr. Lothar Wech wird Nachfolger als stellvertretender Leiter von CARISSMA, da der bisherigere Stellvertreter Prof. Dr. Michael Botsch die wissenschaftliche Leitung des neuen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz AININ übernimmt. AININ ist ein im April 2019 gegründetes Forschungszentrum mit Partnern aus Wissenschaft, Gesellschaft und Wirtschaft und forscht an zukunftsweisenden Themen zum Einsatz von Künstlicher Intelligenz und Maschinelles Lernen in den Bereichen Handel, Gesundheit, Produktion und Mobilität.

Darüber hinaus gab Prof. Dr. Thomas Brandmeier erfreuliche Zahlen hinsichtlich der Mitarbeiterzahlen in CARISSMA bekannt, die mittlerweile auf nahezu 100 (bei der Eröffnung 2016 waren ca. 50 geplant), auf Grund der großen Herausforderungen bei der Entwicklung von sicherem automatisierten Fahren weiter gestiegen ist. Darüber hinaus konnte gleichfalls der Umsatz der Forschungsmittel auf sechs Millionen Euro gesteigert werden.

Im Laufe des Jahres 2019 wurden darüber hinaus die Forschungsfelder bei CARISSMA um den Zweig Automotive Security, also der Sicherheit von Fahrzeugen mit Car2X-Systemen, erweitert. Vizepräsident Prof. Dr. Hans-Joachim Hof und sein Team forschen in diesem Gebiet an der Modellierung und am Testen von Angriffen auf Sicherheitsfunktionen von automatisierten Fahrzeugen ebenso wie am Einsatz von Künstlicher Intelligenz zur Automatisierung von Sicherheitstests, sog. HackBots.

Besonders nachgefragt wurde dabei die selbst entwickelte Wetteranlage, mit der realitätsgetreuer Nebel und Regen in der CARISSMA-Indoor-Versuchshalle (100x30 Meter) für automatisierte Fahrversuche erzeugt werden kann, um Umfeldsensoren gezielt und reproduzierbar stören zu können. Dazu haben die Forscher in der Natur vorkommenden Nebel und Regen vermessen und mit den exakt gleichen Charakteristika (Tröpfchengröße, -dichte, -verteilung etc.) nachgebildet. So können neben zerstörenden auch zerstörungsfreie Crashtests durchgeführt werden, in denen das Fahrzeug immer wieder gegen ein Target gefahren wird, ohne dabei Schaden zu nehmen. Ein solcher Versuch wurde den Beiräten auch am Ende der Tagung vorgeführt, welche großes Interesse an den Anlagen offenbarten. Dem Vorschlag des wissenschaftlichen Beirats aus dem vergangenen Jahr folgend wurde die Nebelanlage ebenfalls auf der sehr erfolgreichen IAA der Öffentlichkeit, Presse sowie dem Fachpublikum vorgeführt, welche mit äußerst positiver Resonanz antworteten.

Die Forschung bei CARISSMA konzentriert sich aber nicht allein auf Fahrzeuge. Eine besondere Berücksichtigung erfährt der Schutz der Schwächsten, der sogenannten ungeschützten Verkehrsteilnehmer (Vulnerable Road User, VRU).  Neu ist der eigens entwickelte Kinder-Dummy, bei dem die Implementierung des realen kindlichen Bewegungsverhaltens im Vordergrund steht. Für den analog zum Erwachsenen-Dummy aufgebauten Kinder-Dummy analysierten und adaptierten sie das Bewegungsverhalten von Kindern: Mit speziellen Bewegungserfassungs-Sensoren (Engl.: Motion Capture Sensors), die während des Gehens an den Körpern der Kinder angebracht wurden, untersuchten sie das Bewegungsverhalten und konnten so kinderähnliches Bewegungsverhalten auf den Dummy übertragen.

Ein weiterer wichtiger Tagespunkt waren die zukünftigen Aktivitäten von CARISSMA. Die im vergangenen Jahr bereits angekündigte und auch dieses Jahr vom Rat ausdrücklich begrüßte Teilnahme am Forschungsprojekt Regionalverbund Autonomes Fahren in Ingolstadt wurde weiter vorangetrieben. In diesem Projekt mit einem Volumen von ca. 5,3 Millionen Euro sollen in den nächsten Jahren Versuchsfahrzeuge für automatisiertes Fahren aufgebaut und später auf dem Testfeld „Erste Meile“ auf speziellen Straßen in Ingolstadt getestet werden.

Der zweite wichtige Punkt war die langfristige Ausrichtung von CARISSMA, welche in einem Strategieworkshop mit 30 Fachexperten aus Wissenschaft und Industrie vor dem Hintergrund zentraler Fragestellungen zum Thema Sicherheit beim automatisierten bzw. pilotierten Fahren diskutiert wurde. Dr. Ulrich Widmann, Leiter Steuerung technische Entwicklung AUDI AG und Mitglied des CARISSMA-Beirats, stellte die Herausforderungen vor dem Hintergrund eines steigenden Bedarfs an Sicherheitsfunktionen bei zunehmendem Automatisierungsgrad in zukünftigen Verkehrsszenarien dar: Neben den rein technischen Herausforderungen müssten auch die ethischen und gesellschaftlichen Belange intensiv betrachtet werden. Dazu benötige es unabhängige wissenschaftliche Forschungseinrichtungen.

Prof. Dr. Thomas Brandmeier begreift diese Entwicklung als Chance: „Die Flanken bezüglich der Validierung von Sicherheitssystemen beim automatisierten Fahren liegen offen. Die hervorragenden und einzigartigen Testmöglichkeiten prädestinieren CARISSMA dazu, die Entwicklungen in der Praxis von der Testseite her zu unterstützen. Als öffentliche und neutrale Einrichtung mit dem vorhandenen technischen Know-how kann CARISSMA eine Moderatorenrolle im Bereich der Standardisierung und der standardisierten Vernetzung einnehmen.“