Feierliche Eröffnung von CARISSMA, dem wissenschaftlichen Leitzentrum für integrale Fahrzeugsicherheit

Der Forschungsbau an der Technischen Hochschule Ingolstadt wurde am 06. Juni 2016 offiziell eingeweiht. Bereits jetzt begleitet das wohl europaweit einzigartige Test- und Forschungszentrum Innovationen der Fahrzeugsicherheit von der Idee bis zur Unterstützung beim Serieneinsatz. Von der radartauglichen Indoorstrecke bis zum HiL-Labor und dem hauseigenen Fallturm steht eine Vielzahl vernetzter Speziallabore und -einrichtungen zur Verfügung. Bundesministerin Johanna Wanka spricht von einem „Meilenstein für die Verbesserung der Verkehrs- und Fahrzeugsicherheit“, der Bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer von „Hightech „made in Bavaria“.

Der große Knalleffekt zur offiziellen Inbetriebnahme blieb passender Weise nicht aus: Im neuen Forschungs- und Testzentrum für Fahrzeugsicherheit in Deutschland geht es nämlich genau darum, Strategien zur Unfallvermeidung zu validieren und im Zusammenspiel mit unfallfolgemindernden Instrumente wie beispielsweise einem Airbag auf ihre Wirkung hin zu testen. Der innovative Forschungsbau mit seiner exzellenten Infrastruktur steht ab sofort Wissenschaftlern wie Automobilherstellern und Zulieferern aus aller Welt für gemeinsame Forschungsprojekte zur Verfügung. Entsprechend souverän startete der Betrieb auf der 123 m langen Indoor-Versuchsanlage mit Demonstrationen mit und ohne Zusammenstoß.

Der Name CARISSMA steht für „Center of Automotive Research on Integrated Safety Systems and Measurement Area“. Ziel ist die Entwicklung und Validierung globaler Sicherheitskonzepte, in denen aktive, passive und kooperative Sicherheitssysteme gezielt ineinandergreifen. Dabei können erstmalig vorausschauende Sicherheitssysteme vor, während und nach einem Unfall unter reproduzierbaren Bedingungen getestet werden. Durch die Vernetzung von Indoor-Versuchsanlage oder Freiversuchsgelände mit Plattformrobotern, realitätsnahen Attrappen und virtuellen Hindernissen können hochkomplexe Szenarien vergleichsweise einfach konzipiert und realisiert werden. Mit einem Investitionsvolumen von 28 Mio. Euro ist CARISSMA zudem der erste Forschungsbau an einer Fachhochschule, der auf Empfehlung des Wissenschaftsrates in die gemeinsame Förderung von Bund und Ländern aufgenommen wurde.

Zukunftsprojekt mit Signalwirkung

Über 500 Gäste aus Politik, Wissenschaft und Industrie überzeugten sich live vor Ort von den vielfältigen Möglichkeiten, die das neue Leitzentrum für integrale Fahrzeugsicherheit bietet. Die Bundesministerin für Forschung und Bildung, Professorin Dr. Johanna Wanka, betonte in ihrer Rede die Bedeutung des Leuchtturmprojekts für den Innovationsstandort Deutschland und unterstrich die Bedeutung von Fachhochschulen im deutschen Wissenschaftssystem: „Hochschulen wie die TH Ingolstadt, die in der Mitte der Gesellschaft stehen und auf Augenhöhe mit ihren Partnern zusammenarbeiten, sind Motoren des Fortschritts für ihr Umfeld.“

Auch der Bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer lobte das außerordentliche Engagement in seinem Heimatort Ingolstadt: „Die THI steht für herausragende Innovationen in unseren bayerischen Schlüsseltechnologien – Maschinenbau, Automobile und Luftfahrt. Auf dem Weg zur führenden „Mobilitäts-Hochschule“ in Deutschland sind wir jetzt wieder einen Schritt weiter: Der erste eigene Forschungsbau an einer Hochschule für angewandte Wissenschaften in Deutschland, der in Betrieb geht, steht in Ingolstadt. CARISSMA als wissenschaftliches Leitzentrum für Fahrzeugsicherheit in Deutschland ebnet den Weg für die „Zukunft in Bewegung“ - für klug vernetzte Fahrzeuge, für digitalen Aufbruch und für Hightech „made in Bavaria“.“

Nach der finalen Ausbaustufe im Jahr 2018 werden insgesamt 85 Forscher und Versuchsingenieure am Leitzentrum für integrale Fahrzeugsicherheit arbeiten. Das Team vereint Automotive-Experten aus den unterschiedlichsten Disziplinen, von Ingenieurwissenschaften und Informatik bis hin zu Verkehrspsychologie und -ökonomie.

Professor Dr. Thomas Brandmeier, wissenschaftlicher Leiter von CARISSMA erklärt, warum der interdisziplinäre Austausch entscheidend ist, um einen ganzheitlichen Ansatz in der Verkehrssicherheit zu etablieren: „Kommunikation spielt eine wichtige Rolle. Wir fördern in jeglicher Hinsicht den Dialog, egal, ob in der Kommunikation zwischen Fahrzeugen und ihrer Umwelt, zwischen verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen oder in der internationalen Automotive-Community.“

Innovative Testmethoden im Live-Versuch

Einen Vorgeschmack auf die Testmethoden von morgen erhielten die Anwesenden zudem in einer spektakulären Live-Vorführung. Demonstriert wurde ein neuartiger Brems-Lenk-Versuch mit einem autonom fahrenden Testfahrzeug und einem realistischen Fußgänger-Dummy. Auf einer Anlaufstrecke von 60 Metern beschleunigt das Fahrzeug in der radar- und lidartauglichen Halle auf 40 km/h. Der Niederschlag aus der hauseigenen Regenanlage behindert die Sicht der vorausschauenden Sensoren, wie auch in der Realität die des Menschen. Von rechts kreuzt plötzlich ein eigens entwickelter Fußgänger-Dummy, der mit seinen lebensnahen Bewegungen von Sicherheitssystemen zweifelsfrei als Passant erkannt werden muss. Zusätzlich erhöht die Feuchtigkeit den Bremsweg aufgrund des gesenkten Reibwerts der Reifen. Zur bestmöglichen Unfallvermeidung wird deshalb nicht nur wie heute üblich in die Bremse eingegriffen, sondern aktiv vom ungeschützten Verkehrsteilnehmer weggelenkt. Das Fahrzeug reagiert in unter einer Sekunde bis zum eigentlichen Impact und die Kollision wird somit effektiv vermieden. Die reproduzierbaren Bedingungen in der Halle ermöglichen es, solche Eingriffe in die Fahrdynamik verlässlich zu validieren. Die Komplexität der Szenarien lässt sich langfristig beliebig steigern. Die eingebaute Positionierungsanlage ermöglicht eine hohe örtliche und zeitliche Präzision. Denkbar wären beispielsweise Tests mit mehreren Verkehrsteilnehmern wie Fahrradfahrern, Skateboardern oder Segway-Touristen.

In zwei weiteren Tests zeigten die Automotive-Experten von CARISSMA, wie auch unfallfolgemindernde Technologien im Realversuch mit hoher Crashschwere überprüft werden können. In der passiven Sicherheit geht es darum, die Insassen bei einem unvermeidbaren Aufprall optimal zu schützen. Irreversible Aktoren wie beispielsweise ein Airbag können basierend auf vorausschauenden Sensoren bereits vor einem Aufprall ausgelöst werden, um die Sicherheit weiter zu steigern. Für eine Zündung vor der Kollision müssen allerdings absolut belastbare Voraussagen über den Fahrverlauf getroffen werden. Im ersten Crashversuch mit eine komplett abrüstbaren Crashblock fährt ein PKW mit 35 km/h mittig gegen einen Pfahl, in der zweiten Variante kommt eine Barriere mit einem Offset von 40% zum Einsatz, um den in der Realität häufiger vorkommenden versetzten Aufprall zu simulieren. Das Sicherheitssystem erkennt im Test die bevorstehende Kollision und reagiert bereits 100-200 Millisekunden vor dem eigentlichen Zusammenstoß. Aus Sicherheitsgründen wurden beide Demonstrationen vorab per Video aufgezeichnet. Egal, welche weiteren Sicherheitskomponenten und technischen Lösungen die Automobilbranche in den nächsten Jahrzehnten entwickelt, das CARISSMA-Team ist auf (fast) alles vorbereitet.

Über CARISSMA

Das Forschungs- und Testzentrum CARISSMA der Technischen Hochschule Ingolstadt (THI) ist als neues wissenschaftliches Leitzentrum für Fahrzeugsicherheit in Deutschland konzipiert. Der 123 m lange Forschungsbau wird ab Juni 2016 offiziell in Betrieb genommen und beherbergt auf mehr als 4.000 Quadratmetern Nutzfläche insgesamt zehn hochmoderne Versuchseinrichtungen, darunter eine Indoor-Versuchsanlage für Crashtests, einen Fahrsimulator mit Hexapod-Bewegungsplattform, ein Fußgängerschutzlabor, einen Fallturm sowie eine Entwicklungs- und Testplattform für Car2X-Kommunikation. Nach der finalen Ausbaustufe im Jahr 2018 werden insgesamt 85 Forscher und Versuchsingenieure am Standort arbeiten.

CARISSMA steht für Center of Automotive Research on Integrated Safety Systems and Measurement Area. Ziel der Einrichtung ist es, über angewandte Forschung einen Beitrag zur Erhöhung der Verkehrssicherheit im In- und Ausland zu leisten. Hierbei arbeitet CARISSMA mit Automobilherstellern, Wissenschaftlern und Forschungseinrichtungen aus aller Welt zusammen. Die interdisziplinär arbeitenden Wissenschaftler stellen sich mit ihren Forschungsprojekten fächerübergreifend der gesellschaftlichen Herausforderung „Vision Zero“ – dem Fernziel von null Verkehrstoten. Aktuell verunglücken jährlich allein auf Europas Straßen rund 39.000 Menschen tödlich.

CARISSMA wurde mit einem Projektvolumen von 28 Mio. Euro genehmigt und ist ein Novum in der deutschen Wissenschaftslandschaft: Es ist der erste Forschungsbau an einer Fachhochschule, der auf Empfehlung des Wissenschaftsrates in die gemeinsame Förderung von Bund und Ländern aufgenommen wurde.